HERAUSFORDERUNG MOBILES ARBEITEN

- PRESSEMITTEILUNG - OFFENBACH POST

BÜROSTUHL-SPEZIALIST KÖHL WILL IM SCHRUMPFENDEN MARKT WACHSEN 

Ober-Roden - 100 Büroarbeitsplätze in einem Unternehmen bedeuteten jahrzehntelang auch 100 Schreibtische und 100 Stühle. Diese Rechnung geht spätestens seit Corona nicht mehr auf. Da viele Menschen im Homeoffice oder mobil arbeiten, reichen bei 100 Jobs 60 Möbel. Diese Entwicklung bekommt auch Sitzmöbelspezialist KÖHL in Rödermark/Ober-Roden zu spüren – und reagiert darauf.

Ungefähr 60 Prozent der Beschäftigten in Deutschland wollen auch nach der Pandemie hybrid arbeiten, also nur noch teilweise im Büro und mindestens zwei- oder dreimal pro Woche daheim. „Arbeitsplätze müssen deshalb wohnlicher werden“, sagt Ingolf Matthée, seit Anfang 2021 einer von zwei geschäftsführenden Gesellschaftern. Will heißen: Freundliche Farben verdrängen das gewohnte Business-Grau oder -Schwarz, Couchs und Loungesessel ersetzen den klassischen Drehstuhl.

60 000 bis 70 000 solcher Stühle entwickelt und baut der Ober-Röder Mittelständler pro Jahr. „Wir setzen auf Wachstum in einem schrumpfenden Markt“, geben Matthée und Peter Wilhelmus, ebenfalls geschäftsführender Gesellschafter, die Marschrichtung vor. Nicht der schnelle Euro ist ihr Ziel, sondern ein stetiges Plus von jährlich fünf bis zehn Prozent über einen langen Zeitraum hinweg.

Die KÖHL-Chefs und ihr Team wollen gegen die meist größere Konkurrenz mit Qualität bestehen. Alle Stühle werden in der Paul-Ehrlich-Straße montiert. Die Einzelteile wie Lehnen, Rollen oder Fußkreuze kauft das Unternehmen nicht in Fernost, sondern in einem Umkreis von 200 Kilometern. Die Polster zum Beispiel kommen aus der Nähe von Nürnberg und der Mannheimer Gegend. Das war für Matthée ein klarer Vorteil in der Pandemie, die die Warenströme mächtig durcheinanderwirbelte.

Allerdings hatte auch KÖHL einige Probleme, die richtigen Teile zum richtigen Zeitpunkt in der Montagehalle zu haben. Das redete Geschäftsführer Matthée in der Bilanz 2021 auch nicht schön, sondern kündigte an, die Einkaufspolitik der kurzen Wege noch weiter zu forcieren.

Ganz kurze Wege hat KÖHL zu einem Partner, mit dem das Unternehmen seit zehn Jahren zusammenarbeitet: In den Werkstätten Hainbachtal auf der anderen Straßenseite stecken Menschen mit Handicap Rollen und Fußkreuze zusammen. „Die Leute machen einen Superjob. Wir sind mit der Qualität sehr zufrieden“, lobt Wilhelmus die behinderten Kollegen.

Er und Matthée sehen die Firma KÖHL eigentlich als eine größere Manufaktur. Dazu passt der Zweitname „Ars Sedendi“, die Kunst des Sitzens. Das Sortiment umfasst elf Drehstuhlserien plus ein bisschen Bei-Mobiliar. Kundenwünsche können ganz individuell erfüllt werden: Dank unterschiedlicher Lehnen, Farben, Polster, Rollen und anderen Details kann KÖHL die elf Modelle theoretisch in fast 100 000 Variationen liefern.

Die Preisspanne reicht von 300 bis 3 500 Euro. Mit diesen Edelmöbeln, die ein bisschen an Autositze erinnern, stattete Köhl einen ganzen Sitzungssaal in Saudi-Arabien aus. Die Genehmigung für die feine Lochung des Leders musste das Management bei einem der großen deutschen Pkw-Hersteller holen.

Mit Blick auf die sich rasant ändernde Arbeitswelt wollen Ingolf Matthée und Peter Wilhelmus das Sortiment weiter ausbauen. Zu den Couchs und Sesseln, die von der Ergometrie eher fürs entspannte Brainstorming als für acht Stunden konzentriertes Arbeiten gemacht sind, kommen in nächster Zeit Konferenz- und Kantinenstühle sowie erstmals Sitzstehhilfen. Die will KÖHL im Herbst bei der weltgrößten Fachmesse für Büromöbel, der Orgatec in KÖHL, präsentieren.

(Michael Löw)

Bis zu 70 000 Bürostühle liefert die Firma Köhl jedes Jahr aus. Die Geschäftsführer Ingolf Matthée (rechts) und Peter Wilhelmus wollen den Absatz um fünf bis zehn Prozent steigern. Ebenfalls pro Jahr.

 

© Michael Löw

Vollgas bei der Qualitätskontrolle: Knapp eine Minute braucht Bülent Kaplan, bis er einen Stuhl gecheckt und mit Druckluft von der letzten Fussel befreit hat.

 

© Michael Löw

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